Freiburg/Stuttgart, 17. Juni - Bürger mit einer kleinen Rente oder geringem Einkommen, Wohngeldempfänger oder Hartz-IV-Bezieher können ihre Stromkosten häufig nicht mehr begleichen. Sie haben dann Energieschulden und ihre Haushalte sind überschuldet. Das Resultat: die Energieversorger schalten in der Regel den Strom ab. Aufgrund der Zahlen der Bundesnetzagentur wurde 2011 mehr als 39.000 Haushalten im Land der Strom abgedreht. "Damit werden arme Menschen massiv von unserer Gesellschaft ausgegrenzt", erklären die Caritasdirektoren Prälat Wolfgang Tripp (Stuttgart) und Monsignore Bernhard Appel (Freiburg). "Ohne Strom gibt es keine Hygiene für Körper und Haushalt, man kann nicht kochen und keine Lebensmittel kühlen - sprich: ein zivilisierte Leben ist schlichtweg unmöglich." Die Caritas im Land fordert daher für Haushalte mit Energieschulden eine Energieberatung und einen Stopp von Stromsperren durch die Energieversorger.
Für die Endkunden ist der Strom in Baden-Württemberg laut Umweltministerium allein in den Jahren 2002 bis 2010 um 45 Prozent gestiegen. Gerade für Bezieher von Hartz IV zeichnet sich hier ein hohes Risiko für Energieschulden ab, denn ihre tatsächlichen Stromkosten werden im Regelsatz seit Jahren nicht mehr realistisch abgebildet. Für eine Familie mit drei Kindern unter zwölf Jahren beträgt nach Zahlen der Caritas Baden-Württemberg die jährliche Lücke 622 Euro. Für eine alleinerziehende Person mit zwei Kindern sind es 537 Euro. "Die Zahlen belegen auch, dass die steigenden Strom- und Energiepreise nicht nur für Bezieher von Grundsicherung, sondern bei allen Haushalten mit niedrigem Einkommen unweigerlich ein großes Loch in die Haushaltskasse reißen", so die Caritasdirektoren.
Da armutsgefährdete Menschen in der Regel in preisgünstigen Wohnungen leben, haben sie auch einen höheren Energieverbrauch. "Die Wohnungen sind in einem schlechten baulichen Zustand mit miserabler Energieeffizienz", so Appel und Tripp. Hinzu kommen Haushaltsgeräte, die in die Jahre gekommen sind und mit höherem Stromverbrauch. Alte Kühlschränke etwa zählen zu den Geräten, die am meisten Energie brauchen.
Die Caritas in Baden-Württemberg setzt sich dafür ein, dass Menschen in einkommensarmen Haushalten erfahren, wie sie Strom sparen und ihre Kosten dafür senken können. In dem Caritas-Programm "Stromsparcheck" beraten seit fünf Jahren langzeitarbeitslose Menschen diese Haushalte. Damit alle Bürger in Baden-Württemberg von der Energiewende profitieren, ist ein Ausbau der Beratung dringend erforderlich. Hierzu schlägt die Caritas eine Initiative des Landes vor, die auch alle Partner aus den Kommunen und der Energieversorgungsunternehmen einbezieht.
Aus Sicht der Caritasdirektoren darf es kein Abschalten des Stromes mehr geben. "Wir Wohlfahrtsverbände bieten an, gemeinsam mit den Energieversorgern neue Wege zu beschreiten und sozialverträgliche Lösungen zu suchen", so die Caritasdirektoren. Gutes Beispiel lieferten die Stadtwerke Friedrichshafen und die MVV Mannheim: durch die Kooperation mit Caritas und Diakonie konnte ein Sozialfonds eingerichtet werden für Energieschulden in prekären Haushalten. "Wir glauben, dass wir in Kooperation mit der Energiewirtschaft gute Lösungen finden können", so die Caritasdirektoren.
Als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche vertritt die Caritas in Baden-Württemberg über 3.900 Einrichtungen mit mehr als 180.000 Plätzen in unterschiedlichen Hilfefeldern, in denen 59.000 Mitarbeiter/innen und 33.000 Ehrenamtliche tätig sind.