„Macht, was euer Herz zum Singen bringt“
Eine ganze Woche war der anglikanische Priester, Autor und Dozent aus Oxford in der Erzdiözese unterwegs. Die Veranstaltungsreihe "Frisch. Kirche. Machen." hat das Versprechen des Mottos eingelöst: Der englische Gast brachte Frisches mit und ermutige beharrlich zum Machen und Losgehen.
"Ich setze mich dafür ein, dass wir eine Kirche für alle Menschen sein können. Dazu braucht es viele und neue Zugangswege und Formen von Gemeinschaft." Mit diesem Bekenntnis begegnete Michael Moynagh in Lörrach, Lahr, Heidelberg, Baden-Baden, Achern, im Nationalpark Schwarzwald und in Freiburg verschiedensten Menschen aus Caritas und Gemeinde. Er selbst hat die englische Bewegung der "fresh expressions of church" (frische Ausdrucksformen von Kirche) maßgeblich mitgeprägt. Seit mehr als 20 Jahren gibt es in England neue Gemeindeaufbrüche, bei denen anglikanische Diözesen kleine christliche Gemeinschaften in besonderer Weise fördern. Das Besondere ist ihre Verwurzelung mitten im Lebensalltag und ihre besondere Grundhaltung: "Frag Gott und die Menschen in deinem Umfeld, wie du ihnen dienen kannst", bringt es Moynaghauf den Punkt. Beispiele hierfür sind etwa eine Lego-Kirche mit Familien, ein Essenstreff mit Senioren, eine Kanu-Kirche mit Jugendlichen. Diese Aktivitäten wollen einen Alltagsbedarf aufgreifen und Gemeinschaft stiften. Wer möchte kann aber, ganz ohne Druck und nur auf freiwilliger Basis, auch noch an einem "spirituelle Extra" teilnehmen, einer kurzen Liturgie versammelt um eine Kerze, einem spontanen Gebet oder persönlichen Fürbitten mit einem Segen.
FreshX bei uns?
Auch in Deutschland und in der Erzdiözese Freiburg ist die Dynamik der FreshX zu erkennen: "Als Caritasverband machen wir das schon an vielen Stellen, wie zum Beispiel bei unserem Projekt ‚GemEINSAM packen wir an", erzählt Lilli Wenzel-Teuber vom Caritasverband Lahr. Sie ergänzt: "Wir sprechen gar nicht so oft über unseren Glauben. Die Erfahrungen aus England zeigen, dass christliche Spiritualität Menschen anspricht, wir sollten ruhig mutiger von dem erzählen, was uns Hoffnung gibt."
In Lahr, in Lörrach oder im Nationalpark waren die Begegnungen vor allem eine Chance für die lokalen Akteure für neue Motivation und bessere Vernetzung untereinander. "Die Lörracher Ökumene und das Kirchencafé sind gestärkt worden," fasst Christine Feld vom Institut für Pastorale Bildung wichtige Erkenntnisse zusammen.
Spiegel für die Erzdiözese Freiburg
Der erfahrene Kirchenpionier Moynagh hält sich mit Ratschlägen an die Gastgeberdiözese zurück, doch manche Aussagen lassen aufhorchen. Markant betont er: "Keine Strukturzusammenlegung wird den Relevanzverlust und Mitgliederschwund der Kirchen beenden. Wer Wachstum will, muss die Kontaktflächen außerhalb traditioneller Formen erhöhen." Strategisch hat dies seine Heimatdiözese Oxford durch Lern-HUBs, "Enabler" (FreshX-Ermöglichung durch Beratung und Coaching), Pionier-Personalstellen und eine eigene Beauftragungsform zur Kirchenerneuerung vorangetrieben. Mit einer ambitionierten Zielformulierung, in den kommenden 10 Jahren 10.000 neue Gemeindeformen in ganz England zu beginnen, werden konkrete Perspektiven benannt.
Dabei ist der Aufbruch keine Gefahr für traditionellen Formen. Immer wieder wurde deutlich, dass Tradition und Innovation zusammengehören. Überlieferte und neue Formen von Gemeinde dürfen füreinander dankbar sein. Das Neue würde es ohne das Bisherige nicht geben und das Bisherige wird entlastet durch die Impulse des Neuen. "Seid also großzügig miteinander," so die Ermutigung von Michael Moynagh. "Und macht immer das, was euer Herz zum Singen bringt."
In diesem Sinne betonte er auch den reichen Schatz an katholischen Traditionen und Gemeinschaftsformen, die zum Anliegen von FreshX gut passen, wie z.B. die Basisgemeinden, die Idee der kleinen christlichen Gemeinschaften oder monastische Traditionen.
Theologische Reflexionen
Im theologischen Fachgespräch mit Prof. Dr. Bernhard Spielberg an der Universität Freiburg warnt Moynagh davor, das Geschenk der Kirche als persönliches Eigentum zu verstehen und es für sich in Besitz zu nehmen. Um das Wesen der Kirche als Geschenk Gottes zu bewahren, geht es darum, dieses weiterzugeben und dem Heiligen Geist zuzutrauen, dass er zusammen mit den Menschen vielfältige und neue Formen findet, wie Kirche gelebt werden kann. Denn jede Form von Kirche und Gemeinde ist in sich exklusiv, weil sie zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort und in einem bestimmten Stil stattfindet: Somit würden Menschen, die anders ticken, natürlicherweise ausgeschlossen. Wenn Kirche aber dem Anspruch Jesu folgen will, alle Menschen mit der frohen Botschaft zu bewegen, dann braucht es eine inklusive Missionstheologie, die eine Vielfalt an Gemeindeformen fördert. "Michael Moynagh verkörpert damit eine Theologie, die aufatmen lässt in den drängenden Fragen danach, wie es mit Kirche in Zukunft weitergeht," betont Stefan Bonath, Leiter der Abteilung Kirchenentwicklung und Pastorale Innovation im Seelsorgeamt.
So geht es weiter
Das Team zur FreshX-Themenwoche plant schon nachfolgende Termine. Ein digitales Nachtreffen und eine Umfrage unter allen FreshX-Interessierten soll ausloten, was gebraucht wird: von der Begleitung für konkrete Initiativen bis zu weiteren Vernetzungstreffen und Kursen rund um das Thema einer frischen Kirche. Wer die Entwicklungen und Ideen verfolgen und mitmachen will, kann sich auf einer Austauschplattform dafür anmelden: www.ebfr.de/fx-newsletter