Zwischen Barmherzigkeit und Betriebswirtschaft
"Wir werden heute eine exemplarische Diskussion führen und zwar für unsere Gesellschaft insgesamt, in der er es nur noch um Zahlen zu gehen scheint" - mit diesen Worten leitete Moderator Jörg Vins von der Fachabteilung "Religion und Welt" vom SWR das Landestreffen der kirchlichen Krankenhäuser in Baden-Württemberg ein, das am 12. Oktober im Heidelberger St. Josefskrankenhaus stattfand. Über 60 Vertreter der katholischen und evangelischen Krankenhäuser Baden-Württembergs berieten über die Frage, welche Erwartungen und Verpflichtungen, aber auch Perspektiven mit unternehmerischem Handeln in Caritas und Diakonie einhergehen. Der große Zuspruch, auf den die Veranstaltung bei katholischen und evangelischen Krankenhausträgern stieß, belegt den Diskussionsbedarf, den die Entscheidungsträger in einer Phase des Umbruchs bei einer profilwahrenden Positionierung am Gesundheitsmarkt haben.
Bei der hochkarätig besetzten Veranstaltung beleuchtete Professor Matthias Möhring-Hesse, Lehrstuhlinhaber für Sozialethik und Theologische Ethik an der Universität Tübingen die sozialethische, Nils Söhnle von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young die unternehmerische Sichtweise. Im Anschluss diskutierten die Teilnehmer gemeinsam mit Bruder Peter Berg, Generaloberer der Barmherzigen Brüder von Maria-Hilf, Trier und Aufsichtsratsvorsitzender der Barmherzige Brüder Trier gGmbh, Professor Traugott Schächtele, Prälat des Kirchenkreises Nordbaden der Evangelischen Landeskirche in Baden, Richard Wentges, Vorstandsvorsitzender der Vincentius-Diakonissen-Kliniken in Karlsruhe sowie Professor Matthias Möhring-Hesse und Nils Söhnle.
"Vollzugsform der Barmherzigkeit"
Möhring-Hesse bezeichnete die kirchliche Wohlfahrtspflege als Vollzugsform der Barmherzigkeit, die soziale Dienste am Menschen erbringt. Als in vielerlei Hinsicht fremdbestimmte Unternehmen würden ihnen unter anderem von der Kirche, vom Sozialstaat und von der Öffentlichkeit unterschiedliche Erwartungen herangetragen. Innerhalb dieser Fremdbestimmungen müssten sie einerseits eigenständig sein, gleichzeitig zwischen auseinandergehenden Ansprüchen vermitteln. Die staatliche Kontrolle gegenüber den kirchlichen Wohlfahrtsverbänden sei inzwischen übermächtig und diese gerieten unter die Dominanz ihrer Geldgeber. Weil sie zum Leistungsträger in einem sozialstaatlich organisierten Wohlfahrtsmarkt geworden seien, sieht Möhring-Hesse keinen Platz für unternehmerischen Geist in Caritas und Diakonie. Sie müssten dafür sorgen, dass sie bei der Stange blieben bei Strafe ihres Untergangs. In der Pflege werde zunehmend getaktet, rationalisiert und auf Wettbewerbsniveau gearbeitet. Eine gute Pflege gehöre aber zur fachlichen Professionalität, die man nicht über christliche Werte definieren müsse. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für eine gute Pflege zu sorgen.
Betriebswirtschaftliches Handeln unerlässlich
Nils Söhnle von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young legte eine dezidiert unternehmerische Sichtweise dar. "Betriebswirtschaftliches Handeln ist für alle Teilnehmer am Gesundheitsmarkt unerlässlich", lautete eine seiner zentralen Thesen. Gleichwohl stünden für die kirchlichen Krankenhäuser ebenso Aspekte der Nächstenliebe und der christlichen Werte im Vordergrund des Handelns. Für die Zukunftsfähigkeit kirchlicher Krankenhäuser seien unternehmerische Lösungsansätze wie die Implementierung von Compliance-Systemen, eine starke Wettbewerbsposition durch Behandlungs- und Versorgungsqualität sowie eine gute Positionierung im Ressourcenwettbewerb neben einer hohen Innovationsbereitschaft von entscheidender Bedeutung. "Zukunftsfähige Krankenhäuser müssen sich als vernetzter Dienstleister darstellen", so Söhnle.
In der anschließenden Diskussionsrunde stellten sich die Teilnehmer der Frage nach den Prognosen der christlich geführten Krankenhäuser auf dem umkämpften Markt des Gesundheitswesens. Für Richard Wentges stellt professionelles Handeln und Barmherzigkeit nichts Gegenteiliges dar. "An vielen Stellen ist unternehmerisches Handeln unmittelbar nötig. Natürlich müssen wir professionell unsere Dienstleistung erbringen. Allerdings kommt es nicht nur auf die Professionalität an. Wir haben eine Motivation. Unser Grundgedanke ist es, sich um Menschen zu kümmern", betonte er. Professor Traugott Schächtele hob hervor, dass man sich mit der Frage auseinandersetzen müsse, wie präsent die Problematik der Pflege innerhalb der Kirche sei. Auf die Frage, wie bei immer teurer werdenden Dienstleistungen und einem steigenden Wettbewerb das christliche Gebot, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, auf Dauer zu leisten sei, erklärte Bruder Peter Berg, dass es nur ein Menschenbild gäbe: "Wir können Menschen nicht unterschiedlich behandeln. Wir müssen uns fragen - ist es uns bewusst, was wir tun, warum wir es tun und wie wir es tun?" Es komme auf das Wertefundament an, auf dem das Handeln in einem christlichen Krankenhaus gründet. (sri)