Arbeit ist das halbe Leben
Die Veranstaltung hatte das Ziel, Betroffene, die an solchen Projekten teilnehmen, und Projektmitarbeiter mit Vertreterinnen und Vertretern von Jobcentern, Kommunen und der Caritas in einen gemeinsamen Austausch zu bringen.
Die Resonanz war erfreulich und ermutigend zugleich: Nach der Premiere im vergangenen mit rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen dieses Mal rund 100 Personen. Ein wichtiges Anliegen der Veranstaltung, nämlich sich auf Augenhöhe zu begegnen, wurde bereits in der Vorbereitung umgesetzt: Das Programm wurde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Diözesan-Caritasverband gemeinsam mit Betroffenen konzipiert und gestaltet. In sechs Workshops gab es Gelegenheit und Zeit, nicht nur über Betroffene, sondern mit ihnen zu diskutieren.
Was ist Arbeit?
Unter anderem ging es dabei um die Frage, wie langzeitarbeitslose Menschen in eine Beschäftigung gebracht werden können, wenn ihnen - aus unterschiedlichen Gründen - der erste Arbeitsmarkt verschlossen bleibt. Arbeitslose dahin zu vermitteln, ist die Aufgabe der Jobcenter. Was aber tun, wenn das nicht funktioniert, trotz vieler unterstützender Maßnahmen? Susanne Kaiser vom Jobcenter Freiburg machte deutlich, dass es viele Akteure braucht, um das "Dazugehören" gerade von langzeitarbeitslosen Menschen zu erreichen. "Das Jobcenter möchte seinen Teil dazu beitragen", sagte sie. Aber: Das Jobcenter bewege sich in einem Rahmen von "Politik, Arbeitsmarkt, Gesellschaft, Mensch", der vorgegeben sei. Das Problem, mit dem auch die Jobcenter konfrontiert sind: Was passiert mit den Menschen, die nach allen Förder- und Unterstützungsmaßnahmen nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt ankommen? Hier gibt es tatsächlich ein Dilemma, wie die Susanne Kaiser einräumte.
Für Günter Melle von der verdi-Erwerbslosenberatung in Offenburg bedeutet diese Fokussierung auf den ersten Arbeitsmarkt, dass andere Potentiale nicht geweckt und gefördert werden. Er stellte in diesem Zusammenhang die Definition von Arbeit generell in Frage: "Ist Erwerbsarbeit die einzige Form der Arbeit? Ist Erwerbslosigkeit Arbeitslosigkeit?" Angesichts einer ökonomischen Entwicklung, die durch Automatisierung Arbeit immer mehr verringert, müsse dringend eine gesellschaftliche Debatte darüber angestoßen werden, was Arbeit in Zukunft überhaupt noch bedeute. Und es müsse über alternative Vorschläge nachgedacht werden, wie die individuelle Existenz gesichert werden kann, zum Beispiel über die Einführung einer Maschinensteuer.
Langzeitarbeitslose brauchen nicht nur Alimentation
Arbeit zu haben, bedeutet nicht nur, den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern etwas leisten zu können, wofür man Wertschätzung und Anerkennung erfährt. Wie wichtig das für Betroffene ist, brachte Frank Bandurski zum Ausdruck. Für den studierten Indologen und ausgebildeten Logopäden, der nach einer befristeten Anstellung in einem Telekommunikationsunternehmen und einem späteren Engagement über eine Zeitarbeitsfirma arbeitslos wurde und seither von Hartz-IV lebt, ist die Teilnahme an dem Projekt Kunst- und Arbeitswelten des Freiburger Stadtcaritasverbandes eine "super Erfahrung": "Die Menschen blühen dort auf, man erfährt dort Wertschätzung", sagte er.
Langzeitarbeitslose Menschen brauchen, davon zeigte sich Clemens Litterst vom Diözesan-Caritasverband überzeugt, nicht nur Alimentation, sondern Beschäftigungsmöglichkeiten, damit sie ihre Würde behalten. Deshalb fordert die Caritas eine bessere Förderung gerade bei Menschen, die mit mehreren Vermittlungshemmnissen zu kämpfen haben. Das beinhaltet unter anderem, dass die Teilhabe am Arbeitsleben als Ziel in das Sozialgesetzbuch aufgenommen wird. Und: Passive Mittel wie das Arbeitslosengeld sollten aktiv für sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse eingesetzt werden.
Welche kreativen Potentiale in Menschen stecken, die sich seit langem vergeblich um eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bemühen, aber keine bekommen, belegte übrigens sehr eindrucksvoll eine Ausstellung während der Veranstaltung. Sie präsentierte Kunstwerke unterschiedlichster Art, die in Projekten der Neuen Lebens- und Beschäftigungsformen entstanden sind. Arbeit ist das halbe Leben…
Thomas Maier