Freiburg (cpi). Kinder und Jugendliche zu erziehen, war immer schon eine Herausforderung, und sie ist es noch mehr, je unübersichtlicher die Welt drumherum wird. Wie Erziehungsarbeit in den gesellschaftlichen Veränderungsprozessen gelingen kann, war die zentrale Frage auf dem Erziehungshilfetag der Caritas am 27. und 28. September in Freiburg. Dabei wurde deutlich, dass die kirchlichen Erziehungshilfen die Zeitenwende, von der allenthalben gesprochen wird, fest im Blick haben. Von der Klimakrise über digitale Teilhabe und Demokratieverständnis bis hin zur Geschlechtervielfalt reichten die Themen, über die sich 150 Mitarbeitende aus Einrichtungen und Dienste der Jugend- und Erziehungshilfe in der Erzdiözese Freiburg austauschten. Unter dem Motto "Wir sind Zukunft!" standen dabei die Familien und Jugendlichen im Fokus, die von der Caritas in Erziehungsfragen begleitet werden.
Zum Auftakt ging der österreichische Theologe und Philosoph Clemens Sedmak, Professor für Sozialethik an der University of Notre Dame im US-Bundesstaat Indiana und von dort per Video zugeschaltet, der Frage nach, ob und inwieweit eine würdezentrierte Erziehungsarbeit in der Zeitenwende überhaupt möglich ist. Die Quintessenz seines furiosen Vortrags: Werteorientierte Erziehung hat viel damit zu tun, für die unveräußerliche Würde des Menschen zu brennen. Kinder und Jugendliche dürften nicht nur als Objekte einer pädagogischen Fachkompetenz wahrgenommen werden. Sie würdevoll zu erziehen, heiße, so Sedmak, ihnen Respekt zu bezeugen und sie in ihrer Einzigartigkeit anzuerkennen. Erziehungsarbeit müsse von einer "echten Würdegleichheit von Kindern und Erwachsenen" geprägt sein. Das bedeute, Kinder und Jugendliche nicht zu demütigen, nicht zu infantilisieren und nicht zu instrumentalisieren. Vielmehr gehe es darum, ihnen Handlungsmacht zuzuerkennen und fair mit ihnen umzugehen. Sedmak machte eine würdezentrierte Begleitung von Kindern und Jugendlichen in einer liebevollen Grundhaltung fest, die als "starke Sorge nicht von Emotionen abhängt und die in dem Menschen einen Wert sieht, den andere nicht sehen".
Ausgehend von diesem starken Impuls beschäftigten sich zahlreiche Fachvorträge und Workshops unter anderem damit, wie dem Klimawandel in Verantwortung für die jungen Menschen begegnet werden kann oder wie neue Mitarbeitende der so genannten Generation Z, die ihre eigenen Ideen zu sinnstiftenden Tätigkeiten mitbringen, für die christlichen Erziehungshilfen gewonnen werden können. Intensiv wurde darüber diskutiert, wie in den Diensten und Einrichtungen das Demokratieverständnis gefördert und Jugendliche darin befähigt werden können, damit sie die Gesellschaft mitgestalten. Auch die Frage, wie das Aufwachsen mit digitalen Medien gelingt oder was queere junge Menschen in den Diensten und Einrichtungen brauchen, wurde bei der zweitägigen Veranstaltung ausgiebig bearbeitet.
Inspirierende Denkanstöße und Diskussionsstoff boten spannende Keynotes, vorgetragen von Menschen, die die Welt verändern und mitgestalten wollen. Engagiert forderten Raphaela Soden und Miki Herrlein von der Bewegung Out in Church eine Kirche ohne Angst, in der die sexuelle Identität der Menschen keine Rolle mehr spielt und verdeutlichten die Notwendigkeit der Geschlechtersensibilität im Umgang mit jungen Menschen in den katholischen Einrichtungen der Erziehungshilfen. Winfried Cordi und Uta Pfefferle vom Freiburger Friedensforum warben für das Zusammendenken einer entmilitarisierten Welt und dem Begegnen der Klimakrise. Menschen zu ermutigen, sich zu äußern und klar gegen Diskriminierung und antidemokratische Haltungen zu positionieren, aber auch den eigenen Rassismus zu reflektieren, war die klare Botschaft von Rebecca Rüddenklau vom Netzwerk für Demokratie und Courage Baden-Württemberg. Ähnlich äußerte sich Gerda Liebner von den Freiburger Omas gegen Rechts. Sie bekräftigte, dass die von ihr gegründete Initiative nicht nur gegen etwas einträten, sondern insbesondere für einen empathischen, die Demokratie fördernden Umgang mit allen hier lebenden Kindern und Jugendlichen. Die Klimaaktivist*innen Barbara Schramkowski von Scientist Rebellion und Amelie Schütte von der Letzten Generation riefen pointiert dazu auf, angesichts der drängenden Zeit mit dem Klimaschutz ernst zu machen und die Verantwortung der Jugendhilfe zur Wahrung der elementaren ökologischen Kinderrechte nicht zu ignorieren.
Veranstaltet wurde der zweitägige Fachkongress von der Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen in der Erzdiözese Freiburg (AGE). In ihr sind als Netzwerk 15 ambulanten Dienste, 14 Erziehungsberatungsstellen und 23 Einrichtungen der stationären und teilstationären Erziehungshilfen zusammengeschlossen.