„Wir brauchen eine laute und streitbare Pflege!"
Der Kontakt mit der Praxis sie ihr wichtig, sagte Bärbl Mielich zu Beginn ihres Besuches in der Caritas Fachschule für Pflegeberufe Bühl. Das ließen sich die Auszubildenden mit ihrem Schulleiter Manuel Benz nicht zwei Mal sagen: Sie nutzten die Gelegenheit ausgiebig, um der Staatssekretärin im Ministerium für Soziales und Integration ihre Erfahrungen in der Pflegeausbildung zu schildern.
Die Azubis kritisierten vor allem, dass man sie als Vollzeitkräfte in das Pflegesystem hineinrechne und ihre Schulausbildung oft nicht ernst genommen werde: "Eine 100-Prozent-Kraft zum Azubigehalt - das sollte nicht sein!", sagte eine Schülerin. Ebenso beklagten einige Schülerinnen und Schüler, dass sie die vorgeschriebene Praxisanleitung in den Einrichtungen nicht erhielten. Schulleiter Benz bestätigte diesen Missstand, wollte aber den Schwarzen Peter nicht einfach nur den Einrichtungen zugeschoben wissen: "Der eigentliche Grund dafür ist, dass die Personaldecke schon seit Jahren zu dünn ist." Aus dieser Personalnot heraus würden Azubis oft "verheizt", was nicht selten dazu führe, dass manche schon in der Ausbildung abbrechen oder nach dem Abschluss sich einer anderen beruflichen Tätigkeit zuwenden.
Die Staatssekretärin betonte das Anliegen der Landesregierung, den Pflegeberuf strukturell zu stärken und bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. "Dafür müssen wir an vielen Stellenschrauben drehen", sagte die Staatssekretärin. Eine davon sei die generalistische Pflegeausbildung, die mehr Perspektiven innerhalb des Berufsbildes ermögliche. "Eine Aufwertung des Pflegeberufs braucht eine bessere Bezahlung und mehr Handlungsspielräume", unterstrich Mielich. Zum Beispiel sollten Pflegefachkräfte künftig "auf Augenhöhe" mit Ärzten zusammenarbeiten. Sie will auch eine Pflegekammer als eigene berufsständische Vertretung in Baden-Württemberg auf den Weg bringen.
Diözesan-Caritasdirektor Thomas Herkert sagte, "persönliche Wertschätzung für die Pflege gibt es durchaus, aber an der gesellschaftlichen mangelt es". Das habe auch mit Geld zu tun, das anders verteilt werden müsse. Er äußerte die Hoffnung, dass die hohe Wertschätzung für die Pflege, wie sie in der Corona-Krise zutage getreten ist, im öffentlichen Bewusstsein nachhaltig haften bleibe.
Mielich äußerte sich am Ende des rund einstündigen Austauschs dankbar für die durchaus kritischen Rückmeldungen: "Wir brauchen eine laute und streitbare Pflege, um auch politisch weiterzukommen", betonte sie. (tom)